Seit jeher haben Menschen den Eindruck, ihre eigene Zeitepoche sei sehr schnelllebig und Entwicklungen verliefen deutlich rascher als bei vorherigen Generationen. Offenbar ist es ein menschliches Phänomen, Entwicklungen als immer schneller werdend wahrzunehmen und auch Veränderungen erst einmal als bedrohlich oder zumindest beängstigend zu empfinden. So scheint es einerseits ein menschlicher Trugschluss, dass Zeiten immer schnelllebiger werden. Andererseits leben wir im Zeitalter der Digitalisierung - und da ist es nachweislich neu, dass Veränderungen nicht mehr linear, sondern exponentiell verlaufen. So kommt es, dass viele Menschen sich überfordert fühlen und nach Ruhepolen suchen. Zudem sind wir Menschen in gut situierten mitteleuropäischen Ländern damit konfrontiert, in der Fülle der Möglichkeiten in der Berufs- und Partnerwahl, der Wahl des Wohnortes und der allgemeinen Lebensgestaltung eine für uns passende Auswahl zu finden.
So ist das Thema guter Entscheidungen ein zentraler Punkt, um das Leben gut zu meistern und die richtigen Weichen für ein gelingendes Leben zu stellen. Doch warum sind Entscheidungen so schwierig, und was hilft, um sich entscheiden zu können?
Im Horse Assisted Coaching haben wir eine einfach Methode, um Menschen bei ihren Entscheidung zu helfen: wir lassen die Menschen nach einem Vorgespräch zwei Varianten festlegen. Sie ordnen dann jeder Variante ein Pferd zu und führen dieses Pferd einige Runden. Eine Frau stand einmal vor der Wahl, einen dritten Hund bei sich aufzunehmen. Für manche mag dieses als Luxusproblem dastehen oder eher banal klingen. Aber für den Coachee war es eine wichtige Entscheidung, die sie schon länger intensiv beschäftigte und auch belastete. In der Halle wählte sie zunächst ein Pferd für die Antwort 'nein' aus und ging dann einige Runden mit dem Pferd am Strick durch die Halle. Das Pferd folgte ihr flüssig und zügig; es zeigte durch leichtes Kauen und einen locker hängenden Kopf Zeichen der Entspannung und fühlte sich offensichtlich wohl.
Dann ließ die Frau das Pferd los und nahm sich das Pferd, welches für die Antwort 'ja' stand. Auch dieses Pferd folgte, jedoch schien es zwischen beiden eine größere Distanz zu geben - es hatte den Anschein als ginge das Pferd aus Pflicht mit der Frau mit. Besonders interessant dabei war jedoch, dass das 'nein'-Pferd sich gleich ohne Strick ebenfalls der Frau auch bei diesen Runden anschloss und kontinuierlich begleitete.
Am Ende war die Frau sehr gerührt von der Situation. In der Reflexion stellte sie dar, dass sie nicht nur für diese Entscheidung Klarheit gewonnen hatte, sondern eine tiefe Erkenntnis über ihr Verhaltensmuster bei schwierigen Aufgaben gewonnen hatte. So hatte sie durch die freundliche, innige und kontinuierliche Zuneigung des 'nein'-Pferdes erst einmal erkannt, dass das 'nein' als Nichterfüllung von Wünschen nicht grundsätzlich gegen sie sein muss, sondern auch ein Geschenk für sie sein kann. Denn es schont ihre Ressourcen und schützt sie davor, sich zu übernehmen. Da sie selber aber auch noch den Wunsch spürte, einen dritten Hund zu haben, hat sie für sich als Ergebnis gut festhalten können, dass es momentan nicht der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt wäre.
In dem pferdegestützten Coaching hat die Frau festgestellt, dass sie oft Aufgaben übernommen hat, die zu groß für sie waren. Und in der Geborgenheit des großen, schützenden Pferdes, welches für ein 'nein' stand, konnte sie erfahren, wie wertvoll und gut es ist, auch für sich und ihre Wünsche Grenzen zu setzen und zu achten - oder auch darauf zu achten, wie sie ihre Wünsche schonend und in einem guten Zeitmaß umsetzen kann.
Diese oft tiefer liegenden Erkenntnisse zeichnen das Coaching mit Pferden aus. Denn nicht für jede Entscheidung können wir einen Coaching-Termin mit den Pferden wahrnehmen. Wohl aber kann aus den exemplarischen Coachings zum Thema Entscheidungen erkannt werden, welche grundsätzlichen Handlungsmuster uns bei unseren Entscheidungen beeinflussen. Der bewusste Umgang mit diesen Erkenntnissen unterstützt die Menschen dabei, künftige Entscheidungen zielgerichtet zu treffen. Aktuelle Studien zum Thema Entscheidungen belegen, dass das Gefühl eine wichtige Rolle für die richtige Wahl spielt (Geo-Wissen Nr. 64, 'Richtig entscheiden. Die Kunst der guten Wahl', 2019). Im Coaching mit Pferden bekommen Menschen schnell einen guten Zugang zu ihren Gefühlen. Ohne diese um jeden Preis offenbaren zu müssen, hilft der Zugang zur Intuition dabei, aus Gedankenkreisen herauszufinden. Neue Impulse, frischer Mut und der Eindruck, aus alten Mühlen aussteigen zu können, unterstützen die Coachees dabei, destruktive Muster zu durchbrechen und zu freien Entscheidungen zu kommen. Wer kein Pferd bei sich hat, kann auch im Wald, am Meer oder an seinem persönlichen Kraftplatz einmal auf sein Gespür hören und wahrnehmen, auf welchen Weg es ihn oder sie leitet.
Am Ende gibt es keine Sicherheit für die richtige Entscheidung. Aber es gibt die Möglichkeit, auch aus einem (vermeintlichen) Scheitern zu lernen und daraus wertvolle Erfahrungen für das weitere Leben zu gewinnen. Wie sich im Coaching mit Pferden die Kraft finden lässt, aus einem Scheitern oder Krisen zu lernen und durch den Griff zu den eigenen Ressourcen weitere Entwicklungsschritte zu gestalten, betrachten wir im nächsten Artikel.